...und Ich dachte schon, seit 2018 ändert sich nie wieder etwas. 

Gedanken  02/2025

Politische Stabilität und der wirtschaftliche Kontext


Anlass für mich den Text zu verfassen mag hier die Bundestagswahl 2025, das Wachstum der AfD und die Orientierung vieler Wähler in anderen Ländern hin zu Parteien sein, die markige Sprüche und nationale Interessen sein verfolgen. So jüngst in USA geschehen.

Anlass es zu lesen, ist das Interesse für die eigene Geldbörse und/oder gesellschaftliche Stabilität.

Wer viel Text nicht mag: fair enough. Durch die Grafiken blättern, dürfte bereits erhellen.
Unten gibt es auch einen "Wahl-O-Mat" mit Fokus auf Wirtschaft. 
 
Der Aufsatz ist natürlich eine These, die kaum zu beweisen oder zu widerlegen ist. Klar, weiche uneindeutige Umfragen und Literaturrecherche wären denkbar. Könnte man auf der Basis die Zukunft vorhersagen, hätten wir es bereits begonnen. Wenn nun beim Thema Gedanken an "Neid" von gut Situierten aufkommen, so ist das hier völlig irrelevant. Es geht um eine stabile und für alle miteinander auskömmliche Gesellschaft und was wer dazu leisten sollte. Ich bin weder geneigt, eine wissenschaftliche Arbeit abzuliefern, noch alle denkbaren Quellen zu recherchieren. Ich möchte mit Quellen aber - neben Autorenrechten - die Gedanken nachvollziehbar und plausibel machen. 

These
Unsere Gesellschaft ist in einer instabilen Phase angekommen. Grundlegende Werte werden in Frage gestellt (Demokratie, faktenbasierter Ansatz, das Recht Aller auf ein auskömmliches Leben..) und es bleibt abzuwarten, wohin die Reise in den kommenden Jahren bzw Dekaden gehen wird. Siehe auch die Beispiele in Italien, Österreich und insbesondere USA etc. Die Phase tritt bei sehr hohem Entwicklungsstand & Wohlstand ein, wenn Wohlstand gefährdet ist und Fragilität zunimmt. Fragilität ist der Mangel des staatlichen Organe, ihre Aufgaben (interne & äußere Sicherheit, Gesundheit, Bildung, Infrastruktur, funktionierende und unabhängige Verwaltung & Politik, gleiche Rechte&Chancen für alle Bürger) wahrzunehmen. Man mag auch ans alte Rom denken. Es gibt dazu sehr viel Material, eine kleine Auswahl unter (0). 
 


Gleichgewicht aus Wirtschaft und Gesellschaft. 
Ich denke, wir können festhalten, dass Sozialismus und Kommunismus viele und für große Teile der Bevölkerung durchweg interessante Ansätze mitbringen. Aber leider offenbar heute nicht funktionieren. Völlig unabhängig davon, was Ich nun bevorzuge, sehe Ich auf der Gegenseite - Kapitalismus - einen gewissen Erkenntnismangel. Ich sehe , dass Wirtschaftswachstum zur Zeit offenbar ein wichtiger Träger ist. Wirtschaftlicher Neoliberalismus basierend auf Thesen von Adams et al sind aber in der globalisierten Welt mit sich verschiebenden Kräften in Ländern mit Dekaden an Kapitalismus kaum zukunftsträchtig. Noch dazu haben sich in den letzten Dekaden die Vermögen immer weiter nach oben konzentriert. Das wird durch zahlreiche Mechanismen begünstigt, die natürlich gut ausgebildete und wohlhabende Menschen eher in einflussreiche Positionen bringen. Die dauerhafte Tragfähigkeit darf angezweifelt werden. 

 

Arm & Reich
Extrem schwierige Begriffe. 

Arm - "In Deutschland sind Menschen arm, wenn sie weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung haben". (4)

Die Definition halte Ich heute für methodisch fast absurd. Weder betrachtet sie, was denn überhaupt Grundbedarf ist. Noch wählt sie einen mathematisch sinnvollen Ansatz im Kapitalismus. Es ist eher eine moralische Uhr, wieviel Menschen vom Wachstum abgehangen sind und als solche sicher interessant. In einer reichen Gesellschaft können 60% vom Durchschnitt (nicht mal Median) allerdings durchweg sehr auskömmlich sein. Oder nicht. Es fehlt die Gewichtung. Praktische Auswirkung: wir haben regelmäßig Organisationen die auf wachsende Armut hinweisen, obwohl die Armut sich oft mit zwei Urlauben im Jahr gestaltet. 

Reich - da haben wir keine offizielle Begriffsdefinition. Üblich ist aber „Als einkommensreich gilt nach einer wissenschaftlichen Konvention, wer über mehr als das Doppelte bzw. Dreifache des Median der Nettoäquivalenzeinkommen der Gesamtbevölkerung verfügt.“(5) Immerhin: Median. Praktische Auswirkung einer so gering angesetzten Definition: Damit sind wir aber exakt in der Debatte, in welcher der Schichtmeister, Betriebsleiter etc - eher bodenständige Leistungsträger - dann gleich als einkommensreich gelten, obwohl sie vom oberen Viertel des Einkommens weit weg sein können. Und Vermögen überhaupt nicht als solches gewichtet wird. Das hat in den letzten Dekaden bereits dazu geführt, dass es die Regierungen zum Anlass genommen haben, die die Höhe des Steuersatzes und die Grenze des Höchssteuersatz kontinuierlich abzusenken. Ohne einen neuen Höchssteuersatz (Box) zu überdenken oder die Vermögenssteuer wieder einzusetzen, wurden hier also "Reiche" geringer besteuert, der Mittelstand aber dafür höher. (6) 

 

Aus Bevölkerungssicht
Nun besteht die Mehrzahl der Wähler (Bürger) nicht aus denen, die zu den oberen 5% des Einkommenspyramide (geschweige Vermögens) gehören, die - ich fand keine anderslautende Studienergebnisse - die stärksten Lobbypositionen besetzen. Im Gegenteil, die zurzeit größte Wählergruppe sind in Deutschland die Rentner, die eher an gut funktionierenden sozialen und medizinischen Systemen bei Verbesserung des Einkommens interessiert sind. 

Abwegig ist natürlich im Kapitalismus keine "Belohnung" aka Vermögensaufbau für Erfolg zuzulassen. Nun ist Erfolg in der Tat immer noch (oder: wieder mehr) durch Herkunft (Familienbildung, Vermögen) und auch wesentlich Glück bestimmt. Aber Bildung, Fleiß und Risikowille (Kapitaleinsatz bei Unternehmen) sind sicher zu honorieren. Allerdings kann grob die Formel gelten, dass die staatlichen Aufwendungen idealerweise gleich pro Einkommen getragen werden. (Wozu Geld ausgegeben wird, ist ein getrenntes Thema, generell: Wahlen, Petitionen, eigene Aktivitäten lassen Wunschäußerung zu.) In die Berechnung des Einkommens müssen dabei natürlich auch Vermögenszugewinne einfließen. Es sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass hohe Einkommen nicht ausschließen auch altruistisch handeln. Zahlreiche "reiche" Personen spenden regelmäßig oder engagieren sich ehrenamtlich. (7)

Bemerkt wird aber sehr wohl, die sehr hohe Abgabenlast und dass die Zahl der extrem hohen Vermögen (sagen wir mal ab zweistelligen Millionen), genau wie das Vermögen insgesamt immer weiter zunimmt, während das verfügbare Einkommen für die große Mehrheit abnimmt. 

Für die Mehrzahl der Bürger ist also "was sie in der Tasche haben" relevant. Das lief seit dem Wirtschaftswunder in Deutschland generell eher angenehm. Was auch die Messlatte permanent höher gehängt hat. Seit einiger Zeit erleben wir aber eine Vielzahl von Herausforderungen, die für den Staat immer schwieriger zu finanzieren sind. Dazu kommen nun Rezession und eine Inflation, höher als üblich mit 2 Preisschüben (Corona, Ukrainekrieg). Die Ursachen, deren Wirkung und was politisch ausgerichtet wurde oder auch nicht, ist hier weit zu komplex um allgemein verstanden zu werden. Es werden oft simple Bilder (idealerweise Gruppenexterne Feindbilder) gesucht. 

Bedauerlich ist hier sicher, dass bei der anstehenden Wahl offenbar weniger auf die zu erwartende wirtschaftliche Wirkung geschaut wird. (Siehe Bilder rechts)

 

Exkurs 1 - Feindbilder extern
Beginnen wir mit einem Beispiel, dass erwartungsgemäß "ja, aber.." hervorruft.

Zweifelsfrei haben wir ein Problem mit kriminellen Migranten. Es scheint auch absurd, dass Menschen denen Schutz gewährt wird, ihren Gastgebern schaden und weiter willkommen sind. Andererseits gibt es eine Verfassung, EU-Recht und Völkerrecht die Regeln definieren. Und: wir brauchen dringend Zuwanderung. Viele Wirtschaftsbereiche (zB das Gesundheitswesen) wären ohne Migranten heute bereits nicht mehr funktionsfähig. Offen bleibt natürlich, warum Kriminelle und Personen mit abgelehnten Asylanträgen etc nicht zeitnah abgeschoben werden. Spannend: die Zuständigkeit liegt weit überwiegend bei den Ländern und Kommunen, nicht beim Bund. 

Nur: stimmt die breite Rezeption der Bürger, dass "man sich in Deutschland nicht mehr sicher auf die Straße trauen darf" oder Deutschland allgemein unsicher ist?

Nein, sie entspringt einem Framing, dass die AfD - methodisch exzellent und unter massiver Nutzung von Social Media - etabliert hat. Parteien die Mitte-Rechts (Union) oder konfus-querbeet (BSW) stehen, nehmen dies auf. 

 

Deutschland ist überdurchschnittlich sicher.

Die Tötungsdelikte sinken (mit Schwankungen) seit Ende der 50er Jahre.

Und ja: der Ausländeranteil an den Taten ist gestiegen. Der der Opfer auch. 

Dass etwas getan werden muss, ist ohne Zweifel. Nur unsicher ist es hier noch lange nicht. 

 

Das abgeleitete externe Feindbild:
Die Fremden sind an Problemen in Deutschland schuld. Sie nehmen uns Jobs weg und haben Deutschland total unsicher gemacht. Psychologisch sind externe Feindbilder so wirksam, wie dieses hier falsch ist.

Letztlich ist es interessant, dass Deutschland als unsicher wahrgenommen wird, gleichzeitig aber Urlaube in Balkanländern, Nordafrika, den USA oder gar Südamerika & Südafrika gebucht werden. Spanien, China und Australien erscheinen logisch.
(Und nein: es gibt seit dem Kartendatum 2018 keine signifikante Verschiebung, die die deutsche Statistik bereits nahe legt.)

Wer immer noch Zweifel hat, dem empfehle Ich immer Quellen, die ein ureigenes wirtschaftliches Interesse an der Wahrheit haben. zB Weltwirtschafsverbände und Versicherungen, die hier häufig zusammenarbeiten. Übrigens haben trotz allem die meisten Deutschen - realistischerweise - eh keine Lust auf einen Deutschen Alleingang. 

 

Exkurs 2 - Feindbilder intern
Wenn Ausländer nicht als alleinige Ursache gelten und hohe Abgaben bestehen, stellt sich die Frage: Wer ist dann verantwortlich ?  

Völlig klar: Die Empfänger von Transferleistungen sind schuld. 

Auch hier: unsere Transferleistungen und worauf und wann man alles Anspruch hat (von Sozialleistungen die die erwähnten Urlaube ermöglichen, über Kuren für Menschen deren Schaffenskraft dazu keinen Zusammenhang offenbart bis hin zu regelmäßigen Zahlungen an Ausgereiste, bedürfen der Regulierung. Auch nach meiner persönlichen Erfahrung, gibt es Menschen die arbeitsfähig sind, und es sich auf dem sozialen Polster sanktionsfrei gemütlich machen. Allerdings sind weder die Leistungen zur Wiedereingliederung (namentlich zB absurd niedrigwertige Fortbildungsangebote und unpassende Jobs der Arbeitsagentur) ideal, noch reden wir hier von wirklich relevanten einsparbaren Summen. (8) Hier ist besonders der Social-Media Spezialist Söder vorne mit Falschaussagen. (9)

Klar ist: Transferleistungen dürfen keinen Unmut schüren. Es muss sie geben, aber nur im Rahmen echten Bedarfs. Missbrauch muss härter sanktioniert werden. Die, die arbeiten, müssen moralisch zustimmen können, wen und was sie finanzieren.

"Die Bundesagentur für Arbeit teilt auf Anfrage mit, dass für 2022 der durch Leistungsmissbrauch verursachte Vermögensschaden näherungsweise mit etwa 272,5 Millionen Euro benannt werden konnte." Zusätzlich: würden straffällige Migranten und solche, die bereits heute kein Bleiberecht mehr haben, kein Bürgergeld mehr erhalten, fiele es nochmals kleiner aus. Nicht zu sprechen, von Steuerhinterziehung und gleichzeitigem Sozialbetrug durch Clans & Banden.  Aber: ""100 Milliarden Euro sind es mindestens, unsere Schätzungen zur Steuerhinterziehung gehen noch darüber hinaus"" und "Tatsächlich entgeht dem Staat das meiste Geld wohl durch Schwarzarbeit."(11)  Schon heute kümmert man sich um den ein oder anderen Fall. "Im Jahr 2023 haben die Bußgeld- und Strafsachenstellen der Finanzämter bundesweit insgesamt 47.884 Strafverfahren abgeschlossen." (12) Und dann gibts da ja noch "die Zusammenschau der bestehenden Schätzungen selbst unter vorsichtigen Annahmen noch immer eine Spannbreite von mindestens 125 bis 200 Milliarden Euro an unversteuertem Auslandsvermögen". (13)

Es mangelt aber an Digitalisierung und Personal (was sich immer mehrfach selber finanziert) und damit schlicht am politischen Willen der meisten Parteien. 

 

Das abgeleitete interne Feindbild: 
Die vielen nicht arbeitswilligen Empfänger von Transferleistungen sind an den hohen Abgaben schuld. 
Auf Optionen wie Verfolgung von Steuersündern oder die ausgesetzte Vermögenssteuer als erhebliche Einkommensquelle möchte niemand aufmerksam machen. Korrekterweise muss beides - priorisiert nach zu erwartendem Ertrag - adressiert werden. 

 

Und bisher haben wir noch gar nicht darüber geredet das Vermögen wieder zu besteuern.

 

Wie soll Vermögen besteuert werden?
Verdient man viel oder - immer häufiger - erbt man große Vermögen, dann hat man da natürlich irgendwann gewisse Rücklagen, die keine Arbeitseinkünfte darstellen. Wie soll eine Gesellschaft damit umgehen?

In Deutschland war man da von Anfang an sehr klar. Seit 1952 gab es eine Vermögenssteuer. Die ist aber seit 1997 ausgesetzt. Damals urteilte das Bundesverfassungsgerichts, dass Nachbesserungen nötig seien. Die Nachbesserungen hätten allerdings eine kapitalkräftige Lobby als Wähler & Spender verstimmt. Das sind primär Wähler der FDP und Union. Damals, das waren das Kabinett Kohl (CDU) mit Partner FDP, 1998 bis 2005 Schröder(SPD), und danach bis 2009 bis 2021 Merkel (CDU). Schröder hat sich damals einige rote Wangen aus seiner Partei eingefangen, aber der Mix aus "zu kompliziert" (war es vorher auch nicht, die Einnahmen steigen aber ständig und angenehm) und einer auskömmlichen Wirtschafts (und damit auch Haushalts-)lage beendete die Diskussion letztlich. 

  • Das Gericht hat damals 3 Punkte bemängelt, von denen 2 noch relevant sind:
    Die Ausgestaltung sei nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar, da Immobilienvermögen gegenüber anderen Vermögen – anders als geschehen – nicht besser behandelt werden dürften. (das mögen Immobilienbesitzer gar nicht)
  • Außerdem entschied es, dass nur der aus dem Vermögen erzielbare Ertrag (Sollertrag) der Steuer unterliegen dürfe. Gleichzeitig wurde die weitere Anwendung bis zum 31. Dezember 1996 erlaubt(de facto eine Abgabenreduzierung).

Wir müssen also keine "neue" Vermögenssteuer schaffen, wir müssten lediglich eine Überarbeitung vornehmen und die Immobilienbesitzer (nein, nicht Otto Normal mit Haus und Ferienwohnung) verfassungskonform belasten. 

Ein Kapitalabfluss (...dann zieht das ganze Kapital aus Deutschland weg) ist nicht zu befürchten, sogar immer weniger.   Einerseits ist das bis 1997 auch kaum erfolgt, andererseits ist es rechtlich geregelt.  Das Gesetz gibt es schon eine ganze Weile (Gesetz gegen die Steuerflucht von 1918) und durch internationalen Datenaustausch und Gesetze gegen Steuerhinterziehung schliessen sich immer mehr Schlupflöcher. Wir könnten das sogar optimieren, wie die USA: Sobald man sich dort 183 Tage aufhält, ist man steuerpflichtig. Dann haben sie wie wir eine Wegzugssteuer. Und auf alle in USA verbleibenden Vermögen (zB Immobilien) fallen die Steuern weiterhin in USA an. Außerdem können Steuerpflichten in USA bis 5 Jahre nach Wegzug aus den USA erfolgen. 

Andere Sichtweisen
Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass es natürlich andere Sichten gibt. So führt das "Institut der deutschen Wirtschaft" zB aus: "So weisen im internationalen Vergleich insbesondere Länder mit einem ausgeprägten Wohlfahrts- und Sozialstaat ein höheres Maß an Vermögensungleichheit auf. Entscheidend hierfür ist, dass Anwartschaften in den sozialen Sicherungssystemen nicht bei der Betrachtung der individuellen Vermögen beachtet werden und gleichzeitig eine umfangreiche Absicherung sowohl die Anreize als auch die Möglichkeiten zum individuellen Vermögensaufbau mindert." und "Es zeigt sich, dass das Maß der Ungleichverteilung der Vermögen in Deutschland um mehr als 20 Prozent zurückgeht, wenn Ansprüche an die Altersvorsorgesysteme beachtet werden. Zudem gilt es, Alterseffekte bei der Vermögensverteilung zu beachten, da Vermögen regelmäßig im Verlauf des Erwerbslebens gebildet wird."(2)  Die Thesen zum Wert & Anrechenbarkeit der (wenig performanten, für die meisten Bürger unter der Beitragsbemessungsgrenze verpflichtenden) Sozialsysteme dürfen als von unterschiedlicher Sichtweise bewertet gelten.

Auch die Politik der letzten Jahre scheint den Trend etwas gebremst zu haben, so im Global Wealth Report "Während das Durchschnittsvermögen in fast allen untersuchten Märkten deutlich höher ist als das Medianvermögen, ist in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Deutschland, der Schweiz, Israel und Mexiko seit 2008 ein stärkeres Wachstum des Medianvermögens im Vergleich zum Durchschnittsvermögen zu verzeichnen. Dies deutet darauf hin, dass das Vermögen von Erwachsenen in niedrigeren Vermögensklassen schneller gestiegen ist als das Vermögen von Erwachsenen in höheren Vermögensklassen.". Allerdings führt uns unser Median nicht mal in die Top 25 der Welt. (3)

Folglich: wenn der Staat mehr Geld zur Verfügung haben soll, um Bildung, Soziales, Medizin, Sicherheit, Infrastruktur et al zu finanzieren und die 95% der Bürger durch weniger Abgaben entlastet werden sollen, dann wären wohl Vermögenssteuer, Verfolgung von Steuersündern effektiver, als Diskussionen um das Bürgergeld. Da geht es weniger um Geld, als um Moral & Arbeitskraft. (Ja, danke - ich verstehe: verschiedene Töpfe im Bundeshaushalt. Allerdings problemlose Gestaltungsmöglichkeit bei den beiden aufgezeigten Einnahmequellen.)

Praxis und Sichtweisen zur Vermögenssteuer
Betrachtet man aktuelle Entwicklungen in Ländern ohne Vermögenssteuer und ohne das Geschäftsmodell, gezielt Milliardäre anzusiedeln, fällt besonders Frankreich ins Auge – ein Land mit einer 35-Stunden-Woche und einer traditionsreichen Protestkultur. In KW7/8 stimmten die französischen Gesetzgeber für eine neue Abgabe, die Vermögen über 1 Milliarde Euro mit 2 % besteuert.(1)

Interessant sind auch die Niederlande. Hier hat man gerade großes Kino gespielt und die Vermögenssteuer unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatz der Europäischen Menschenrechtskonvention angepasst.(10) Ja, es gab vorher bereits eine Vermögenssteuer. Ja, es gibt sie auch weiter, der Blick richtete sich auf Eigentumsrecht und die Verfügungsfreiheit über Eigentum. Gedanklich nahe bei dem damaligen Urteil in Deutschland.

Noch interessanter sind die Niederlande aber aus einem anderem Grund.  Ein gängiger Messwert im Zusammenhang ist der Gini Koeffizient. Zunächst muss man verstehen, dass dies eine generisches statistisches Werkzeug ist, keine fest definierte Größenordnung zur Beurteilung von sozialer Gerechtigkeit.(21)  Sprich: man kann nach Belieben die eigenen Sichtweisen "ginifizieren". Um das hier nicht inkonsistent und kaum nachvollziehbar zu machen, nutze ich den in der erwähnten Sichtweise des Institut der deutschen Wirtschaft genutzten Gini. 

Und auch aus der unter Berücksichtigung von Verfassung und EU Recht geführten Diskussion, inkl. dem höchsten NL Gerichtshof.

Im Zusammenhang mit dieser These hier, wird Gini genutzt, um die Nettovermögensverteilung im Staat zu analysieren. Die Niederlande sind hochinteressant, da sie beim Gini weit vorne liegen.(Bild rechts) Ich nutze bewusst den Gini, wie in erwähnter IdW Studie. 

Hier ergeben sich also zwei Lesarten:

- Die Nettovermögenverteilung differiert stark, es rechtfertig auch Vermögen zu besteuern

- Die Nettovermögenverteilung differiert nicht stark, da ja Sozialleistungsansprüche der Vermögensbildung zuzurechnen sind.

Schauen wir mal exemplarisch auf Rentenansprüche. 

"In Deutschland sind es im Median 982 Euro im Monat."
"...die AOW-Grundrente monatlich 1218 Euro." (Ohne übliche Betriebsrente)
(Zahlen aus 2022)

"...Rentenniveau bei 48 Prozent eines Durchschnittseinkommens"
"Alleinstehende bekommen 70 Prozent des Nettomindestlohns"

(21, 22)

"Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge macht Rentenvermögen für die ärmeren 50 Prozent der Haushalte 70 Prozent ihres Vermögens aus. Für die Gesamtbevölkerung ist die Rente immerhin ein Drittel des Vermögens. Dagegen beträgt die Rente bei dem reichsten Prozent der Haushalte 2,6 Prozent ihres Vermögens. "Unsere Studie zeigt: Rentenvermögen gleicht Ungleichheit aus, weil sie besonders das Vermögen der ärmeren Hälfte erhöht", sagt Konjunkturforscher Timm Bönke vom DIW."

Dem möchte Ich zustimmen. Nur: ist das auskömmlich? Sind die Bürger damit in Anbetracht des Vermögenswachstums zufrieden? Zweifelsfrei ist ein Umbau des Rentensystems (immerhin jüngst nach 20 Jahren zaghaft begonnen) auch notwendig. Aber ohne zusätzliche staatliche Einkünfte, wird das nicht in sozialem Frieden enden.

Hier muss man sagen, dass der GINI Index gerne die Vermögensansprüche aus Sozialsystemen berücksichtigen darf, dies aber die große Kluft kaum ausgleicht.

 

Zunehmender Perspektive bei sehr Vermögenden
Auch nicht uninteressant ist, dass es eine zunehmende Menge an "Reichen" gibt, die ihr Vermögen für die Gesellschaft zur Verfügung stellen. Damit kann man in der Familie vermutlich so selten einen Blumentopf gewinnen, wie wenn man sein Geld selber in schöne Dinge investiert, statt es brav zu vererben. Der Tenor, dass die Welt für alle auskömmlich und  sicher im Hinblick auf Bildung und Gesundheit sein muss, um am Ende den Niedergang einer Gesellschaft zu vermeiden, ist durchweg auch in vermögenden Kreisen räsoniert. 

Hier gibts es mE seit Jahren 2 Bewegungen. Einerseits die Philanthropen, die via individueller Spende oder Erbe große Teile ihres Vermögens für gemeinnützige Zwecke geben. Entweder in Organisationen (Bekanntestes Beispiel sind sicher Gates & Buffet mit The Giving Pledge. (14) Oder in Europa Marlene  Engelhorn.(15)) Und dann gibt es noch die Bewegung der Vermögenden, die genau diese Vermögenssteuer fordert. (16) Da ist Marlene Engelhorn dann noch einmal dabei.  

Simpel gesagt, besteht durch eine Vermögenssteuer wohl keinerlei Gefahr, den Lebensstandard vermögenden zu bedrohen. Das soll es natürlich auch nicht. Wer aus Glück, Begabung oder Fleiß Vermögen erworben hat, soll es weiter geniessen. 

Und welche Partei bietet mir nun eine Wirtschaftspolitik nach meinen Wünschen?
Jeder kennt vermutlich den https://www.wahl-o-mat.de/.
Ich habe eine Alternative gefunden, die auf Wünsche mit Wirkung auf die Wirtschaftspolitik abzielt, der Wirtschaft-O-Mat. Einfach mal ausprobieren. 

Schluss
Wer als Nicht-Millionär mehr im Portmonee haben möchte, oder wer generell für eine stabile Demokratie ist, tut also gut daran kurz die Fakten zu betrachten. Abseits der klassischen Meinungsthemen (mehr oder weniger Ökologie/Liberalismus/AKW/linker/rechter/konservativer ...) sollte man betrachten, was welche Partei - idealerweise mit Chance auf Regierungsbeteiligung - für das Einkommen von Mittelstand und Einkommensschwächeren bedeutet und wie plausibel die Wahlaussagen finanziert werden können. Dann klappt es auch wieder mit dem Interessenausgleich für Alle. 

Die das endlose Vertrauen in Adam Smith und den wirtschaftliche Liberalismus(17), in einem im globalen Markt agierenden und über Dekaden sättigenden Kapitalismus, muss hinterfragt werden.

Man muss wohl würdigen, dass es Im Jahre 1770 - die Dampfmaschine war noch nicht weit verbreitet - kaum möglich war, Industrialisierung, Globalisierung, Informationsnetze und inhomogene regionale Entwicklung zu prognostizieren. Dennoch sehe ich weiterhin großes Potential für eine soziale Marktwirtschaft, die auf den Prinzipien des Ordoliberalismus basiert.(18)

Auch Ulrike Herrmann (Wirtschaftsjournalistin und Autor des Buches "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung") würde Ich weiter zustimmen.(19)Aber jeder sollte auch einen Blick darauf haben, wer in der Summe der Analysen dies auch vermutlich liefern wird - sofern man ein Interesse an einer stabilen Gesellschaft hat.  

PS:
Die Jugendwahl 2025 zeigt interessante Tendenzen. Dort werden - frei von Beeinflussung durch das Arbeitsleben - soziale Werte der Gesellschaft wieder wesentlich deutlicher in den Fokus gerückt. (Auch erstaunlich, dass "Die Linke" offenbar enorm aufholt und wieder in den Bundestag einzieht.) (20)

 

 

Bildquellen

(a) https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/HTML/2022/Einkommensrechner/index.html

(b) UBS (3)

(c) (l) (m) n-tv, Faktencheck Quadrel Kanzlerkandidaten

(d) (g) (k) (n) (p) Quelle im Bild*

(e) Wikipedia - Map of countries by intentional homicide rate

(f) (i) Statista*

(h) Umfrage ARD 

(j) Zeit online 

(0) IdW/Global Wealth Databook

(q) Video "Die Linke" - https://youtube.com/shorts/Q2iHGPczoyc?si=kpQ2UWi0abMUL67g

(r) Biologie Grundkurs Sek I

Quellen

(0)

https://www.eda.admin.ch/deza/de/home/themen/fragile-kontexte-und-praevention/kennzeichen-fragiler-kontexte.html
https://www.hr2.de/podcasts/extreme-ungleichheit-fuehrt-immer-zu-extremer-instabilitaet,audio-103792.html
https://www.bmvg.de/de/themen/dossiers/engagement-in-afrika/herausforderungen/instabilitaet
https://www.fes.de/artikel-in-gute-gesellschaft-17/ungleichheit-und-makrooekonomische-instabilitaet
https://www.fes.de/artikel-in-gute-gesellschaft-17/ungleichheit-und-makrooekonomische-instabilitaet
https://www.sofatutor.at/geschichte/videos/adam-smith-und-der-wirtschaftliche-liberalismus

(1) https://de.euronews.com/business/2024/10/26/frankreich-neue-steuer-auf-das-vermogen-von-milliardaren#:~:text=Die%20franz%C3%B6sischen%20Gesetzgeber%20haben%20am,oder%20Verm%C3%B6gen%20in%20Frankreich%20hat.

(2) https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Gutachten/PDF/Gutachten_Gerechtes-Deutschland.pdf

(3) https://www.ubs.com/global/de/media/display-page-ndp/de-20240710-gwr-2024.html

(4) https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte-der-bundesregierung/nachhaltigkeitspolitik/armut-beenden-1537492#:~:text=Armut%20in%20Deutschland&text=In%20Deutschland%20sind%20Menschen%20arm,sind%20derzeit%2015%2C9%20Prozent.

(5) https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/DE/Indikatoren/Reichtum/Einkommensreichtum/R01-Indikator-Einkommensreichtumsquote.html?nn=e83b35af-86b3-4f04-ad19-1e6eb9624d4c

(6) https://de.wikipedia.org/wiki/Tarifgeschichte_der_Einkommensteuer_in_Deutschland

(7) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/878730/umfrage/umfrage-in-deutschland-zum-haushaltsnettoeinkommen-der-ehrenamtlichen/

(8) https://www.fr.de/politik/absurde-jobangebote-fuer-buergergeld-berechtigte-93425323.html

(9) https://www.abendzeitung-muenchen.de/politik/wer-verbreitet-am-meisten-falsche-fakten-markus-soeder-in-peinlichem-ranking-dabei-art-966448

(10) https://www.tax-legal-excellence.com/ende-pauschalen-vermoegenssteuer-niederlanden/

(11) https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/buergergeld-betrug-steuerhinterziehung-finanzieller-schaden-102.html

(12) https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/Ausgabe/2024/10/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-1-verfolgung-von-steuerstraftaten-2023.html#:~:text=Bei%20dem%20Absehen%20von%20der%20Verfolgung%20in%20besonderen%20F%C3%A4llen&text=15%20Prozent%20der%20hinterzogenen%20Steuer,Euro%20%C3%BCbersteigt.

(13) https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2019/09/Steuerhinterzieher-konsequent-verfolgen.pdf

(14) https://de.wikipedia.org/wiki/The_Giving_Pledge

(15) https://www.manager-magazin.de/unternehmen/industrie/basf-erbin-marlene-engelhorn-rueckverteilt-vermoegen-an-77-organisationen-a-8a647ced-8df2-40f8-8137-c2914609c4e8

(16) https://www.n-tv.de/politik/Millionaere-Sie-muessen-uns-die-Superreichen-besteuern-article25506627.html

(17) https://de.wikipedia.org/wiki/Adam_Smith#%C3%96konomie

(18) https://de.wikipedia.org/wiki/Ordoliberalismus#Ordoliberalismus_und_Soziale_Marktwirtschaft_(Alfred_M%C3%BCller-Armack)

(19) https://de.wikipedia.org/wiki/Kein_Kapitalismus_ist_auch_keine_L%C3%B6sung

(20) https://www.n-tv.de/politik/SPD-gut-Gruene-schwach-FDP-raus-Linkspartei-Uberraschungssieger-bei-U18-Bundestagswahl-article25568418.html

(21) https://www.fr.de/wirtschaft/rente-deutschland-altersvorsorge-niederlande-rentner-ruhestand-geld-grundrente-betriebsrente-amsterdam-frankfurt-ltt-90217040.html

(22) https://www.ing.de/wissen/so-viel-rente-bekommen-die-deutschen/

Die gemischte Auswahl begründet sich teilweise in Faktenfundstellen, meist aber im Zweck der Quelle (zB Fakten vs. Hintergrundwissen) oder, weil staatliche Informationen zT schlecht lesbar (Umfang, Aufbereitung, Sprache) und hier journalistische Texte vorteilhafter waren.